Das Buch Brief in die Auberginenrepublik ist der dritte Roman von Abbas Khider. Er erzählt die Geschichte eines Briefes, der der Zensur verschiedener arabischer Staaten entgehen soll, und er versucht, die mannigfaltige Gewalt einer Diktatur darzustellen, der jeder zum Opfer fallen und von der jeder (auch unbewusst) Teil werden kann. Abbas Khider wurde mit dem Nelly-Sachs-Preis, dem Hilde-Domin-Preis und dem Adelbert-von-Chamisso-Preis geehrt.
Brief in die Auberginenrepublik
Salem Al-Kateb ist aus dem Irak geflohen und mittlerweile in Bengasi in Libyen untergekommen. Das Lesen verbotener Bücher ist ihm und einiger seiner Kommilitonen zur Last gelegt worden. Nach der Festnahme hat ihm sein Onkel zur Flucht verholfen, die ihn über Syrien nach Libyen geführt hat. Er möchte nun – nach knapp zwei Jahren – irgendwie Kontakt mit seiner Geliebten Samia in der Auberginenrepublik* – im Irak – aufnehmen. Seit jeher schreibt er Briefe, die er jedoch nie abschicken kann. Nun hat er eine Möglichkeit gefunden, wie er ihr einen Brief schicken kann, ohne dass die irakische Regierung davon Wind bekommt. Für 200 Dollar befördert ein libyscher Geschäftsmann illegal Briefe von irakischen Exilanten ins Heimatland. Salems Brief geht auf eine lange Reise über Tripoli, Kairo und Amman, bevor er letztendlich im Irak ankommt – nur nicht bei der eigentlichen Empfängerin Samia.
* Die Bezeichnung »Auberginenrepublik« für den Irak rührt aus dem Handelsembargo, weswegen die Menschen keine große Auswahl mehr haben und fast ausschließlich Auberginen essen.
Sechs Figuren
Insgesamt begegnen dem Leser im Roman sechs weitere Figuren: der Taxifahrer Haytham Mursi, der die Briefe über die libysche Grenze nach Kairo befördert, der Reisebüroleiter in Kairo Majed Munir, der Lastwagenfahrer in Amman Latif Mohamed, der auch Abu Samira genannt wird, der junge Polizist Kamal Karim in Bagdad und der ebenfalls junge Oberst Ahmed Kader sowie seine Frau Miriam Al-Sadwun in Bagdad.
Jede Figur hat ihre eigenen Geschichten zu erzählen: Geschichten von Einschränkungen, Niederlagen und Verlusten, aber auch von Erfolg und vom großen Los. Durch die ersten drei Personen erfährt der Leser zudem, wie jeder einzelne zu dieser illegalen Tätigkeit gekommen ist; durch die letzten drei Figuren wird allerdings deutlich, dass auch darin die irakische Regierung ihre Finger im Spiel hat.
Der Polizist Kamal Karim ist dafür zuständig, die Briefe zu lesen und einzuordnen. Oberst Ahmed Kader, der Begründer dieses »Projektes« in der irakischen Regierung, erhält dann die Briefe, die als verdächtig oder gar gefährlich eingestuft werden. Miriam Al-Sadwun, die Frau des Obersts, erhält eine besondere Rolle. Seit jeher mischt sie sich nicht in die Arbeit ihres Mannes ein. Sie weiß nicht einmal, was er so genau macht. Doch an einem Tag, als ihr Mann den Brief Salem Al-Katebs an Samia auf seinem Tisch liegen hat, greift sie ins Geschehen ein, liest den Brief, versucht vergeblich die Adressatin zu finden (und lernt dabei die »andere Seite« Bagdads kennen) und verbrennt letztendlich den Brief.
Eine fade Eierfrucht
Ein Glanzstück ist dieser Roman nicht. Gewiss, das Thema bietet eine Menge Möglichkeiten, und auch die Frage ist recht spannend, wie Menschen im politischen Exil mit ihren Familien und Angehörigen Kontakt halten. Jedoch schafft es Khider nicht, diese Spannung zu erzeugen. Eventuell übertreibt er es auch mit dem Witzigsein. Ja, er begründet immer wieder, dass das Lachen für ihn – und wahrscheinlich für etliche seiner Leidensgenossen – eine Methode zur Verarbeitung sei. Allerdings hat die Mehrheit der (westlichen) Leser keine Erfahrung wie er oder seine Figuren gemacht. Das Exil, die Flucht, die Folter sind mir vom Gefühl her nicht vertraut. Durch die Heiterkeit wirkt daher alles eher banal.
Umso enttäuschender ist es, wie Abbas Khider mich bis zum Kapitel vom Polizisten Kamal Karim hinhält, bevor ich überhaupt erfahre, was in dem Brief steht. Hätte er es mir doch nur erspart! Dieser Kitsch und das emotionale Geschwalle sind unerträglich. Ich verstehe schon seine Absicht. Selbst für solche trivialen Mitteilungen muss ein Brief solche Strapazen auf sich nehmen, da irgendwer Angst hat, ihm könnte etwas verborgen bleiben und seinem alles kontrollierenden Blick entgehen.
Dennoch liest sich das Buch sehr schnell. Das liegt nicht so sehr an den wenigen Seiten als vielmehr an Khiders Schreibweise. Schreiben kann er! Nur das Erzählen gelingt ihm nicht. Leider kommt der Roman Brief in die Auberginenrepublik seinem Titel trotz alledem gleich. Er ist eine fade Eierfrucht, die man zu würzen vergessen hat.
Informationen zum Buch und Verlag
Verlag: Edition Nautilus
Gebundene Ausgabe, 160 Seiten, Originalveröffentlichung (Februar 2017), 18,00 €
ISBN-10: 3–89401-770–8
ISBN-13: 978–3‑89401–770‑5